Berichte rund um den VW 1302

Der VW 1302 ab August 1970

Zum Auftakt des neuen Modelljahres (71) präsentiert VW ein völlig überarbeitetes Käfer-Modell: den VW 1302 mit Federbein-Vorderachse und Schräglenker-Hinterachse. Durch die raumsparende Federbein- Vorderachse vergrößert sich der Kofferraum vorn von 140 auf 260 Liter (VDA­Norm 225 l), das Reserverad liegt unter dem Kofferraumboden.

In Verbindung mit der vom Automatik-Käfer her bekannten Schräglenker-Hinterachse besitzt der 1302 eines der technisch aufwendigsten  Fahrwerke seiner Klasse. Der vordere Stoßfänger und die vorderen Stoßfängerhalter sind verstärkt. Am linken hinteren Stoßfängerhalter ist eine Abschleppöse angeschweißt.

Der Rahmenkopf ist in Anpassung an die Federbein-Vorderachse flach ausgebildet; an ihm sind Querlenker und Stabilisator befestigt. Rechts vorn ist eine Abschleppöse angeschweißt.

Die größere Bauhöhe des 1,3- und 1,6 Liter-Motors bedingt einen stärker gewölbten Motor­ raumdeckel. Neu ist die Zwangsbelüftung (Niere am hinteren Seitenfenster), die in Verbindung mit der Frischbelüftung (elektrisches Gebläse auf Wunsch) eine zugfreie Belüftung ermöglicht. Am Armaturenbrett sorgen zusätzliche Regeleinrichtungen und zwei weitere Schlitze in der Schalttafel für einen stärkeren Luftstrom.

Der 1302 kann wahlweise mit drei in der Leistung unterschiedlichen Motoren bestückt werden, und zwar als 1302 mit 34- beziehungsweise 44 PS-Motor und als 1302 S mit neuem 1,6 Liter-Motor und 50 PS. Aufgrund der höheren Verdichtung (7,5) leistet das überarbeitete 1,3 Liter-Triebwerk jetzt 44 PS.  Der 1,6 Liter-Motor hat, wie auch das überarbeitete 1,3 Liter-Triebwerk, Zylinderköpfe und Doppelansaugkanäle und einen nach vorn versetzten Ölkühler mit eigenem Kühlluftstrom. Ein im Ölbadluftfilter eingebauter zusätzlicher Thermostat steuert die Warmluftzufuhr zum Vergaser.

Ein neuer Zündanlaßschalter bewirkt, daß beim Ausschalten der Zündung auch automatisch die Hauptscheinwerfer ausgeschaltet werden.Seit dem neuen Modelljahr gibt es praktisch zwei Käfer-Linien. Den alten Stamm mit den Modellen 1200 und 1300 und die neue Linie mit den Modellen 1302 und 1302 S, siehe auch Modell-Übersicht.

Preise August 1970

Modell

DM

VW 1200 (34 PS)

4 695,-

VW 1300 (44 PS)

5 495,-

VW 1302 (44 PS)

5 745,-

VW 1302 S (50 PS)

5 945,-

VW 1302 LS (50 PS)

6 155,-

VW 1302 LS Cabrio (50 PS)

7 490,-

Auf dem deutschen Markt wird die Wählautomatik mit Doppelgelenkhinterachse für alle Modelle, auch für den Sparkäfer angeboten; sie wird jedoch nicht mit dem 1200er Motor kombiniert. Die Höchstgeschwindigkeit mit Automatik wird vom Werk um je 5 km/h niedriger angegeben.

In das bekannte “L-Paket (2 Rückfahrscheinwerfer, Stoßstangen-Gummileisten, Teppichboden, Türtasche rechts, zweiter Aschenbecher hinten, abblendbarer Innen- spiegel, Make-up-Spiegel, Armaturenbrettpolsterung, Bremskontrollleuchte, Schloss für Handschuhfach) wird noch das zweistufige Frischluftgebläse aufgenommen. Wagen mit L-Paket werden mit einem L im Schriftzug am Wagenheck versehen.

Für USA gab es zusätzlich zu den neuen Volkswagen noch ein Custom-Modell mit alter Karosserieform, alter Vorderachse, Doppelgelenkwellen-Hinterachse, Trommelbremsen und 1600er Motor.

1302-Produktion 1970/71
1302-Produktion Emden
für den US-Export.

Änderungen ab August 1971

Die Motorhaube hat leicht veränderte Konturen und nun insgesamt 26 Luftschlitze zur besseren Kühlung des Motors. Das Wasserablaufblech unter den Kühlluftschlitzen ist entfallen. Dafür sind Lichtmaschine, Verteiler, Zündspule und Zündkerzen besser gegen Feuchtigkeit geschützt.

Das Rückfenster ist vier Zentimeter größer und erleichtert den Rückblick. Im Fahrgastinnenraum fällt vor allem das neue Sicherheitslenkrad mit Prallkorb und großer Prallplatte auf, außerdem der an der Lenksäule nach rechtsweisende Wisch- Waschhebel.

Der rückwärtige Kofferraum erhält eine klappbare Abdeckung. Auf den hinteren Radkästen wird Geräuschdämpfungsmaterial aufgebracht. Die Zwangsentlüftung hinter den Seitenfenstern ist mit einer Rückschlagklappe versehen, so daß bei geöffneten Fenstern kein Zug entsteht und kein Wasser durch die Belüftung nach innen kommen kann. Zur Erhöhung der Sicherheit bei Kollisionen erhalten alle Käfer-Modelle einen Schraub-Tankverschluß mit Überdrehsicherung.

Zur schnelleren Regelung der Luftklappe im Luftfilter-Ansaugschnorchel wird diese über eine Un­terdruckdose mit Bimetallfeder gesteuert. Ein Diagnosestecker im Motorraum ermöglicht es der Werkstatt, etliche Inspektionspunkte automatisch vom Computer überprüfen zu lassen. Die Doppelmembrandose am Zündverteiler entfällt und wird durch eine einfache Unterdruckdose ersetzt.

Preise August 1971

Modell

DM

VW 1200 (34 PS)

5 045,-

VW 1300 (44 PS)

5 940,-

VW 1302 (44 PS)

6 190,-

VW 1302 S (50 PS)

6 390,-

VW 1302 LS (50 PS)

8 190,-

VW 1302 LS Cabrio (50 PS)

8 990,-

1302 bis Juli 1972

Seinen bisher größten Triumph seit Produktionsbeginn feiert der Käfer mit einem 1302 S am 17. Februar dieses Jahres. Mit 15.007.034 produzierten Stück überrundet er das Ford-T-Modell und ist seitdem »Weltmeister«.

Der Nachfolger.                                                                                                                                              Der VW 1303 löst den 1302 im August 1972 ab.

Seit August läuft der VW 1303 mit weit nach vorn gewölbter Windschutzscheibe (Panorama-Käfer) von den Fließbändern. Das Käferheck wird von großen runden Schlußleuchten beherrscht, die auf leicht umgeformten Kotflügeln montiert sind. Mit der vorverlegten Windschutzscheibe wanderten das Dach und der Windlauf ein gutes Stück nach vorn. Dadurch verkürzte sich die vordere Haube, die nunmehr ohne das VW-Zeichen auskommen muß. Der Türöffnungswinkel konnte auf 90° vergrößert werden.
Das Käfer-Cabrio entspricht in seinem Aussehen dem neuen VW 1303. Im Programm bleiben mit kurzem Vorderwagen der Sparkäfer (1200/34 PS) und der VW 1300 (44 PS). Den Panorama-Käfer gibt es in zwei Motorversionen: mit 1,3 Liter ­Motor/44 PS und dem 1,6 Liter-Motor/50 PS. Gegenüber dem Vorgängermodell ist der VW 1303 insgesamt 20 Kilogramm schwerer geworden.
Im Fahrzeuginnern ist eine neue aufprall- und belüftungsfreundliche Armaturentafel eingebaut, die mit großen verformbaren Flächen ausgerüstet ist.
Direkt hinter der Scheibe verläuft quer über die gesamte Breite des Innenraumes ein Heiz- und Frischluftkanal mit 42 Luftschlitzen, der zusätzlich links und rechts von Defrosterdüsen für die Seitenscheiben flankiert wird.
Der Griff zum Öffnen der Tankklappe ist entfallen; die vordere Haube wird über einen Hebel geöffnet, der wie bisher im Handschuhkasten untergebracht ist. Der Sicherungskasten liegt unterhalb der Mitte des Armaturenbrettes und ist leicht zugänglich.
Das Sitzuntergestell besteht aus einem stabilen Dreibein und ist mit dem Fahrgestell-Tunnel verankert. Der Verstellbereich der neuen Sicherheitssitze ist um insgesamt 6 Zentimeter vergrößert worden, die Sitze lassen sich in 77 Positionen verstellen.
Wegen des vergrößerten Sitz-Verstellbereiches wurden Handbremshebel und Schaltknüppel in eine günstigere Bedienungsposition verlegt.
Im November erhält der Vergaser einen Thermostat für die Beschleunigungspumpe. Der Ölbadluftfilter wird durch einen Trockenluftfilter mit Papiereinsatz ersetzt.

Preise August 1972

Modell

DM

VW 1200 (34 PS)

5 390,-

VW 1300 (44 PS)

6 330,-

VW 1303 (44 PS)

6 690,-

VW 1303 S (50 PS)

6 890,-

VW 1303 LS (50 PS)

8 840,-

VW 1303 LS Cabrio* (50 PS)

9 110,-

                                                            *ab 01.12.72-

 

Quelle: Der Käfer – Eine Dokumentation
Motorbuch Verlag Stuttgart
ISBN 3-7168-1582-9

 

... Der wirkliche Durchbruch kam Ende 1970 mit dem VW 1302. Die McPherson-Federbeine vorn sorgten nun für einen regelrechten großen Kofferraum (für VW-Begriffe), betont durch die nach vorn-oben gewölbte Haube.

Der neue Schriftzug am Heck lautete »1302« oder »1302 S«, welch letzteres soviel wie »Superkäfer« heißen sollte (nunmehr von Wolfsburg selbst abgesegnet) und ein beträchtliches Leistungsplus gegenüber dem 44 PS (32 kW) 1,5 Liter in sich barg. Mit Schaltgetriebe ging der »S« mit dem 1600 cm3/50 PS (37 kW)-Motor (also keinerlei Bezug zur Nr. 1302) 134 km/h schnell, und einigen Tests zufolge sogar runde 140. Hatte er eine Halbautomatik, so fraß sie die 6 zusätzlichen PS (4,4 kW) des »S« alle wieder auf, nur daß der Motor mit Normalbenzin auskam, weil er nicht höher als 7,5:1 verdichtet war.

Dieser Motor besaß ein kräftigeres Magnesium-Kurbelgehäuse, neue Zylinderköpfe, Chrom-Auslaßventile und einen Ölkühler aus Aluminium. VW hatte jedoch gleichzeitig ein paar kostensenkende Maßnahmen für nötig befunden, und so fehlte an der Mo­torhaube der Wasserfang, im Heizsystem die hinteren Schalldämpfer, und der Vergaser neigte nun leicht zum Vereisen. Mit seinem um 20 mm verlängerten Radstand und der um 50 mm größeren Gesamtlänge, sowie mehr Gesamtbreite entsprechend einer um fast 70 mm verbreiterten Spur, war das massiger wirkende Auto auch um einiges schwerer geworden.

Hinter der erkennbar breiteren Spur trat die eigentliche Neuigkeit, die der 1302 brachte, etwas zurück: die vordere Radaufhängung mit McPherson-Federbeinen, wie sie ein Porsche-Entwicklungsvorschlag indiziert hatte, und die den zweiten prinzipiellen Konzeptbruch in der Geschichte des VW markierte. Das Fahrverhalten wurde erheblich besser, der Wagen mit seiner Schneckenrollenlenkung mit 2,7 Lenkraddrehungen leichter beherrschbar und durch den Wendekreis mit nur mehr 9,6 m deutlich handlicher. Doch der wahre Grund, dem Auto eine McPherson-Achse zu geben, war schlicht der Wunsch nach mehr Kofferraum. Man nutzte die Änderung vorn voll aus, legte das Reserverad flach und machte die Tankkontur bei leicht angehobenem Fassungsvermögen niedriger. Die behaupteten sogar, die neue, vorgewölbte Deckelpartie sei strömungsgünstiger. Schließlich erhielt der »S« noch vordere Scheibenbremsen, der einfache 1302 größere Trommeln vom.

Nachdem die erste Begeisterung über den neuen Superkäfer verflogen war, stellten die meisten fest, daß die Federung gegenüber der Drehstabachse stößiger und die Seiten­windempfindlichkeit nach wie vor etwa gleich geblieben war. Doch dessen ungeachtet konnte Wolfsburg dieses Auto weiterhin sein wichtigstes Modell nennen, da es ja keinen wirklichen Nachfolger für den Käfer geben würde, wie Lotz anläßlich einer Hauptversammlung den Aktionären klarmachte. Bei der Gelegenheit kündigte er eine Kapitalaufstockung auf 900 Millionen DM an. Er räumte auch ein, daß man hinsichtlich kommender US-Gesetze besorgt sei, jetzt, wo die fünfte Million VWs dort abgesetzt wäre. Doch es sei zuviel verlangt, selbst von den Wolfsburgern ein Auto zu erwarten, das den legendären Käfer ersetzen könne. Wie sich noch herausstellen sollte, überlebte der Käfer Kurt Lotz als Generaldirektor von VW und wurde noch mehr als zehn (in Deutschland selbst sechs) Jahre nach seinem Ausscheiden produziert.

Zusammen mit dem 1302 Kabriolett gab es jetzt, 1971, vier verschiedene Grundtypen vom Käfer zu kaufen, doch zwei Drittel aller Kunden entschieden sich für einen der neu hinzugekommenen. In die simpleren Modelle sickerten im darauffolgenden Jahr schon viele Merkmale der »Neuen« durch, während der neue Schlager eine Diagnose-Steckdose für den Service war. Die amerikanischen Zulassungsvorschriften kosteten Wolfsburger Ingenieure mittlerweile einen unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand; trotzdem fand man Zeit, um sich mit einer Vergaserbeheizung und der Verbrauchssenkung zu befassen, die eminent wichtig wurde, nachdem der »S« für seinen übermäßigen Durst bekannt geworden war.

Das Emdener Werk, wohin die Käfer-Fertigung zuerst verlagert werden sollte, als man Platz für den Golf brauchte, baute 1970 eine Viertelmillion vom Typ 1 — ausschließlich für den Export und überwiegend für den US-Markt. Nach der Verlagerung stieg die Emdener Gesamtproduktion auf eine volle Million, als 1971 zum ersten Mal die deutsche Zulassungsstatistik über 2 Millionen Autos anzeigte, von denen VW allein ein Viertel beanspruchte.

Zugleich begann das neue Salzgitter-Werk seine Produktion als letzte heimische VW-Fertigungsstätte, und mit ihrem Ausstoß verhalf sie den Nicht-Wolfsburger VW-Werken zu fast der gleichen Gesamtmenge wie sie in Wolfsburg selbst vom Band lief. Oder anders gesagt, die VW-Gesamtproduktion war gerade doppelt so hoch wie der Wolfsburger Ausstoß. Im Jahr darauf verzeichnete die Volkswagen AG die höchsten Produktions- und Umsatzzahlen aller Zeiten — dafür aber den geringsten Gewinn. Das war auch der eigentliche Grund für Lotz‘ Ausscheiden nach nur einer Vertragsperiode. Die Kosten waren ganz einfach davongelaufen. Hinzu kam, daß VW of America 1971 we­niger Wagen verkaufte, z. T. wegen der Kursunsicherheiten DM/Dollar, Auch zu Hau­se waren die Preise hinaufgeklettert — die Zeiten des 5.000-Mark-Käfers waren für immer dahin. In US-Hochschulen wurden VW-Wartungslehrgänge abgehalten, während der Präsident von Chevrolet sich öffentlich darüber beklagte, daß VW im Begriff sei, um eine Klasse aufzusteigen (wie es der Typ 4 und der Audi ja erwarten ließen). VW of America teilte mit, daß im Jahre 1971 allein 35 Babys in Volkswagen zur Welt gekommen wären, wodurch die Gesamtzahl seit Beginn der Zählung auf 218 gestiegen sei. Ein Zwillingspärchen war auch dabei, das logischerweise in einem Typ 2 Kleinbus geboren wurde.

Was 1972 betrifft, so wurden weiterhin täglich 5.800 Käfer weltweit gefertigt, wobei man entdeckte, daß von 13 000 Autos rechnerisch nur 2,2 Autos identisch vom Band rollten, Das machte zunehmend mehr Kopfschmerzen, obwohl längst nicht so viele wie die Tatsache, daß im Sommer 1972 die Preise für 1302 und 411 gesenkt werden muß­ten, um die Lagerbestände abzubauen, bevor die 1973er Modelle angekündigt werden konnten.

Am 17. Februar 1972 stellte VW den berühmtesten bestehenden Produktionsrekord ein, die Gesamtstückzahl des legendären Ford T -Modells, als der 15.007.034. Käfer das Montageband verließ. (Gewisse später bekannt gewordene Nachzählungen veranschlagten die T-Stückzahl zwar ein wenig höher; doch das spielt keine Rolle, denn alle zur Debatte stehenden Zahlen wurden so oder so im Frühjahr 72 von VW eingestellt.) Ein zweiter großer Meilenstein im gleichen Jahr, der 20.000.000 Volkswagen aller Modelle, wurde damit gefeiert, daß man eine speziell ausgestattete Serie von 15.000 Stück in den Handel brachte, die am Instrumentenbrett nummerierte Erinnerungsplaketten trugen.

...mehr über Porsche Salzburg
1302-Rallye-Käfer mit 120PS von VW-Porsche Salzburg. Domäne von Ferrys Schwester Louise Piëch. Diese Autos verbreiteten Schrecken unter den übrigen Werks- teams, wenn es nur rauh genug zuging.


Quelle: Die VW-Story
Motorbuch Verlag Stuttgart
ISBN 3-87943-737-8

 

www.vw1302.de